Qigong und Taijiquan - Übungen zur Gesundheitsvorsorge

Seit einigen Jahren erleben die teilweise jahrtausendealten Übungen der Chinesen einen ununterbrochenen Boom und finden immer mehr Interessenten und Nachahmer auch in Deutschland.

Und dies obwohl die oft sehr exotisch anmutenden Übungen alles andere als spektakulär zu bezeichnen sind. Natürlich ist es für jeden vernunftbegabten Menschen leicht ersichtlich, dass innere Ruhe, heitere Gelassenheit, Beweglichkeit und Geschmeidigkeit sehr wünschenswerte Eigenschaften sind, die sich bis in die Familie hinein sehr positiv auswirken.

Aber wie bewirken gerade diese langsamen und unscheinbaren Übungen die Entwicklung dieser Eigenschaften? Und: Sind die Übungen für den Alltag überhaupt praktikabel?

Im Büro kann man schließlich nicht aufstehen und irgendwelche "Verrenkungen" machen, während das Telefon klingelt. Dass Qigong und Taijiquan sehr gut auf den Alltag anzuwendende und äußerst potente Entspannungs- und Trainingsverfahren sind, möchte ich hier anhand einer Ableitung aus der Chinesischen Medizin deutlich machen.

Qigong oder Chi Kung bzw. Taijiquan oder Tai Chi Chuan - die Schreibweisen

In der Literatur sind verschiedene Schreibweisen verbreitet, die allein historische Begründung haben. Leider werden verschiedene Schreibweisen manchmal auch als ganz besonders exklusive "Stile" verkauft, was der Verbreitung von Qigong nicht dienlich ist. Es geht dabei schlicht um die Lautbildung, die historisch begründet zunächst aus Amerika übernommen wurde (die sog. Wade-Giles Umschrift mit Chi Kung und Tai Chi Chuan).

"Qigong" und "Taijiquan" ist die moderne Schreibweise (Pinyin-Umschrift) der Volksrepublik China.

Robert Stooß vom Tao-Zentrum demonstriert Körperbeherrschung

Begriffliche Definitionen

Qigong lässt sich aufspalten in Qi (Energie) und Gong (Übung, Methode).

Man macht im Qigong also Übungen zur Förderung der Lebenskraft. Taijiquan lässt sich aufspalten in Taiji ("das höchste Letzte") und Quan ("Faust", "Boxen"). Damit ist ein Boxen in perfektem Einklang mit sich selbst (Authentizität) und den Naturkräften (Sinnfindung) gemeint.

In vielen Veröffentlichungen wird Taijiquan auch fälschlicherweise als "Schattenboxen" bezeichnet. In der Folge subsummieren wir Taijiquan als Sonderform des Qigong und sprechen daher weiterhin nur noch von Qigong. Taiji folgt denselben Prinzipien wie Qigong, ist jedoch aus der Kampfkunst entstanden.

Qigong - eine jahrtausendealte Kunst der Gesundheitspflege

Gesicherten Quellen zufolge hat Qigong eine mehr als 2000-jährige Tradition. So ist z.B. der sog. "Kleine Energiekreislauf" (die Verbindung zweier Leitbahnen zu einem Zyklus) zweifelsfrei dokumentiert. Niemand wird jedoch annehmen, dass die Übungen quasi vom Himmel fielen und dann niedergeschrieben wurden. Es gab selbstverständlich eine historisch bedeutende Tradition der mündlichen Überlieferung, die (ohne Quellenangabe) bis 8000 Jahre zurückreicht.

Jedenfalls sind aus dieser Zeit Grabfunde mit Steinsplitternadeln ein beredtes Zeugnis für erste Anfänge der Akupunktur. Interessant scheint hier die Anmerkung, dass China bereits vor 3000 Jahren ein funktionierendes Staatswesen mit Steuern und Verwaltung kannte. Bereits zu Beginn unserer Zeitrechnung hat der berühmte Arzt Hua Tuo erfolgreich Darmoperationen durchgeführt.

Übrigens mit einer vergleichbaren Verweildauer im "Krankenhaus" wie dies heute üblich ist


Qigong - Stilrichtungen

Es sind ca. 10.000 Qigong-Stile dokumentiert. Dies hängt u.a. mit der Größe, der Vielschichtigkeit der Bevölkerung und den Klimazonen zusammen. Um alle klimatischen Bedingungen Chinas in unseren Breiten nachzuempfinden müsste man nahezu vom Nordkap bis hinunter zum Kongo wandern. Es ist offensichtlich, dass z.B. Qigong in den Bergen anders aussieht als Qigong in einer Sumpflandschaft.

Einige Stile:

Stille (z.B. Zhang Zhuan) Übungen frei von Aktivität

Qi-Lenkung (z.B. Dantien Qigong oder der Kleine Energiekreislauf)

Bewegungsformen (z.B. Spiel der Fünf Tiere, Kranich, Wildgans, Chan-Mi, u.v.m.)

Heilkunst und Therapie-Begleitung (Qi entfernen und hinzufügen, Leitbahnen öffnen, Energiesystem harmonisieren, Blockaden auflösen, Frequenzen senden, u.v.m.)

Kampfkunst (neben Taiji z.B. Eisenhemd Chi Kung, eine gute Methode, den Gewebedruck und -zusammenhalt zu verbessern)

Im Taijiquan gibt es neben einigen Vorläufern zunächst den Chen-Stil, der eine sehr kämpferische Form des Taiji ist. Daraus entwickelte sich der heute weit verbreitete Yang-Stil, aus dem wiederum der Wu-Stil hervorgegangen ist.

Weitere Sonderformen mit geringerer Bedeutung sind u.a. Sun- und Lee-Stil. Die am weitesten verbreiteten und gesundheitlich bedeutendsten sind Yang- und Wu-Stil.

Wie wirkt Qigong?

Die Ansatzpunkte und Wirkungsmechanismen regelmäßig ausgeführter Qigong-Übungen lassen sich nachfolgend in drei Betrachtungsfelder unterscheiden:

1. Regulationssystem Allen Wesensmerkmalen des Lebens liegen Regulationsprozesse zugrunde. Diese Regulationsprozesse werden durch Qigong nachhaltig gefördert und harmonisiert. Ziel der Qigong-Übungen ist die Erlangung eines bestmöglichen Regulationszustands ("Eu-Regulation") gemäß dem Sollwert-Prinzip der Chinesischen Medizin.

2. Neurovegetative Regulation und Synaptische Bahnung Im Qigong wird zu jeder Zeit eine neurologisch bedeutsame Wirkungskette (Gehirn - Rückenmark - Nervensystem) in beiden Richtungen durchlaufen. Durch wiederholte Übung werden gleichbleibende Reize bzw. Impulse zum vegetativen Nervensystem gesandt, es handelt sich dabei um eine neurovegetative Einwirkung mit nachhaltiger Stabilisierung und Harmonisierung, also auch aus emotionaler Sicht eine "Euregulation". Selbstwertgefühl, Grundgewissheit und damit innere Ruhe werden rekursiv verstärkt. Durch regelmäßig wiederholte Durchführung der Qigong-Übungen kommt es zu einer sogenannten "synaptischen Bahnung", d.h. die Übungen werden zunehmend autonom, also ohne geistige Beanspruchung durchgeführt. Damit verbunden ist ein Zustand verbesserter Koordination und Feinmotorik mit gleichzeitig verbesserter Ausdrucksfähigkeit. Ein weiterer neurologisch bedeutsamer Ansatzpunkt besteht in der vegetativen Belebung wenig oder falsch genutzter Körperteile und in der Wiedergewinnung motorischer und psychischer Fähigkeiten nach Traumatischen Erlebnissen (z.B. nach Schlaganfall).


Regulationsdarstellung der Chin. Medizin (Wandlungsphasenkybernetik) im Rahmen des Heidelberger Modells nach Dr. J. Greten (DGTCM) Foto: (DGTCM)
3. Strukturelle und Substanzielle Wirkung

Durch langfristige und regelmäßige Ausübung des Qigong werden aus wiederholten Erfahrungen schließlich substanzielle und strukturelle (und damit Körpersubstanz-stüzende), d.h. dauerhafte und nachhaltige körperliche Anpassungen. Der sinnvolle Gebrauch führt somit zur vollendeten Gestalt. Es erscheint logisch, dass eine übungsbedingte Persönlichkeitsveränderung, z.B. von Überangetriebenheit zu innerer Ruhe, auch substanzschonende Auswirkung haben muss, d.h. der Alterungsprozess wird verlangsamt.

Was ist Regulation?

Jede Form von Leben unterliegt sehr komplexen Regulationsprozessen. Z.B. die Körpertemperatur beim Menschen (im Idealfall=Sollwert 37° Celsius) ist ständigen leichten Schwankungen um diesen Sollwert herum unterworfen. Diese Steuerung wird ohne unsere Aufmerksamkeit zu erregen, quasi im Hintergrund, geleistet. Dies auf alle Regulationsprozesse (z.B. Puls, Atmung, Blutdruck, Hormonspiegel, Stressstatus, etc.) hochzurechnen würde unsere Medizin schlichtweg überfordern.

An dieser Stelle haben die alten Chinesen gewaltiges geleistet. Sie haben ein Diagnose-Verfahren entwickelt, das anhand äußerer Zeichen (Antlitz, Puls, Zunge, Sprache, Gestik, Mimik, Körpersprache) einen exakten Rückschluß auf den aktuellen vegetativen Status erlaubt. Der vegetative Status zeigt uns den aktuellen Regulationszustand und die aktuelle Regulationsrichtung und gibt damit eine exakte Therapieanweisung vor.

Oben sehen Sie eine typische Regulationskurve für die Körpertemperatur. Die Pfeile geben Bewegungsrichtungen und im Allgemeinen in der Chinesischen Medizin die sog. Wandlungsphasen an. Der Sollwert von 37°C wird immer angestrebt jedoch nur in Punkt a, c, e tatsächlich für kurze Zeit erreicht.

In den Punkten b, d wird der Bezug der Regulationskurve zum Sollwert am stärksten verdeutlicht.

Qigong-Übungen fördern die Regulation nachhaltig unter Beachtung einfacher Gesetzmäßigkeiten.

Ausgangspunkt ist ein Mangel an Bewegung und ein Übermaß an Stress und geistig-seelisch-sensorischer Beanspruchung.

Damit sind bereits gute Voraussetzungen für einen dringend benötigten Regulationsbedarf gegeben. Qigong bietet umfassende Körpermobilisierung bei gleichzeitiger Entspannung und einen Abbau von neurologisch wirksamen Stressfaktoren.

Wie sieht ein guter Qigong-Unterricht aus?

Für einen qualitativ hochwertigen Qigong-Unterricht können wir bereits einige Faktoren ableiten:

1. Der Qigong-Unterricht erfolgt in Anpassung an die Jahreszeit, die Tageszeit und den jeweiligen individuellen Zustand der Teilnehmer. Der Teilnehmer wird in seinem Zustand "abgeholt" und durch Übungen in seiner Regulation bestärkt.

2. Ein guter Qigong-Unterricht durchläuft immer alle Wandlungsphasen und gleicht individuelle Dysbalancen innerhalb der Übung aus.

3. Die Qigong-Übung unterstützt die Qi-Erzeugung (Yin ? Yang), die Qi-Verteilung im Leitbahnsystem, einen harmonischen und ausgewogenen Qi-Fluss und kehrt am Ende immer ins Yin zurück. Nur im Yin wird eine dauerhafte substanzielle Wirkung erreicht.

4. Ein guter Qigong-Unterricht führt ohne Mühe in einen tiefen und guten Zustand der "Eu-Regulation". Es wird keine Euphorisierung jedoch auch keine Gleichgültigkeit angestrebt.

Insofern wird der Kreis zum Sinnbild eines guten Qigong. Auch in unseren Breiten heißt es nicht zuletzt deshalb: "Der Kreis schließt sich".

Qigong und Taiji in der Pädagogik

Im pädagogischen Bereich treten täglich neue Herausforderungen an die Lehrkräfte heran. Obwohl sie in ihrer Ausbildung über pädagogisch-psychologische Zusammenhänge informiert sind und über kindliche und jugendliche Entwicklung und deren Störungen mit ihren Auswirkungen auf Lernen und Verhalten Fortbildungen besucht haben, zeigt die Praxis jedoch, dass es sowohl in den Kindergärten, im Vorschulbereich, wie auch in der Schule immer mehr Kinder gibt, die wegen ihrer Problematik, sei es im Lernen oder im Verhalten eine gewisse Hilflosigkeit bei den Pädagogen auslöst.

Dort, wo sich Probleme vermehren, treten Verhaltensauffälligkeiten in Erscheinungsformen auf, die eine sinnvolle Erziehung, den pädagogischen Auftrag, erschweren können.

Im Schulalter können verschiedene Probleme sichtbar werden:

Im grobmotorischen Bereich haben kinder häufig Probleme mit ihrem Körperschema, ihrer Körperkoordination und ihrem inneren wie äußeren Gleichgewicht. Im feinmotorischen Bereich wird dies an ihrer Fingerfertigkeit deutlich, die taktile Wahrnehmung bedarf der Übung und Schulung. Im Zeitalter des Medienüberflusses fehlt das Begreifen. Die Umsetzung vom Verbalen zur Verschriftlichung kann nicht nach Anweisung umgesetzt werden. Die Auge-Hand-Koordination erfolgt verkrampft. Im visuellen Bereich treten weiterhin Schwierigkeiten bei der Figurgrundwahrnehmung, der Formkonstanz, der Raumlage und den räumlichen Beziehungen auf.

Bei der auditiven Wahrnehmung fehlt den Kindern häufig die nötige innere Ruhe und Ausgeglichenheit; sie nehmen oft nur Teilbereiche wahr. Kinder, die über eine schwach ausgebildete Ich-Kompetenz verfügen, sind häufig nicht in der Lage, tolerant mit ihren Mitmenschen umzugehen und haben Schwierigkeiten, sich in einer Gruppe zurechtzufinden und Regeln einzuhalten.

Das Miteinander erfordert auch sprachliche Kompetenz. Hier wird rhythmische, phonologische und kinästhetische Differenzierung benötigt. Dies erfordert eine intakte auditive Wahrnehmungsverarbeitung. Diese Aufzählung erfordert eine ganzheitliche Förderung jedes einzelnen Kindes, was ein Lernen mit Bewegung begünstigt.

Robert Stooß ist mit dem Tao-Zentrum Mannheim Präventionspartner der gesetzlichen Krankenkassen und Referent der DGTCM


Link für weitere Informationen
http://www.tao-zentrum.de

 
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